Richter bricht Recht in Areia Grande (Juli 2016)

Ende der 70er Jahre erregte der Landkonflikt öffentliches Aufsehen als verschiedene Anzeigen von Landraub seitens des Großunternehmen Camaragibe S/A bekannt wurden. Damals kaufte dieses Großunternehmen für ein staatlich finanziertes ProAlcool-Projekt Landtitel - für die Bewohner waren es fremde unbekannte Personen - und registrierte diese, als ob es ihr Landeigentum wäre. (Anmerkung: Maniok war zur Alkoholherstellung gedacht). Der Landraub wurde als Instrument verwendet, damit die Camaragibe öffentliche Mittel erhielt. Aber nach kurzer Zeit stieg sie aus dem Projekt aus, da das Unternehmen konkurs ging. Dies wurde damals brasilienweit bekannt unter dem Namen ″der Maniokskandal″. Die illegalen Landtitel, die das Unternehmen sich durch den Landraub angeeignet hatte, wurden an die Brasilbank (Banco do Brasil) als Hypothek und Form der Schuldenbegleichung des Großunternehmens weitergegeben und später an die Unternehmer Alberto Martins Pires Matos und Carlos Nisan Lima Silva zu einem Spottpreis verkauft.

 Die Familien leben in den traditionellen Landgemeinden: Salina da Brinca, Melancia, Riacho Grande, Jurema, Tanquinho, Ladeira Grande, Lagoado, Lagoinha, Pedra do Batista, Cacimbas und Pilão; die Fläche des Landkonfliktes (bekannt als Areia Grande) beinhaltet diese Landgemeinden, die traditionell seit mehreren Generationen in diesen Landgemeinden leben, Ziegen und Schafe halten, die heimischen Früchte nutzen und weiterverarbeiten. Anthropologische, akademische und offizielle Studien beweisen, dass die Familien und ihre Vorfahren dort seit über 100 Jahren leben.

 Aufgrund dieser Landtitel vertreten diese beiden Unternehmer seit 2006 den Eigentumsanspruch auf diese Flächen und forderten die Vertreibung der Familien der Landgemeinden um Areia Grande.

Am gravierendsten ist noch die Mitschuld des Richters Eduardo Ferreira Padilha, der den Familien das Landrecht absprach und dadurch die Familien dieser Landgemeinden im Jahre 2008 in tragische Situationen voller Gewalt brachte.

 Durch das große Aufsehen, das dieser Konflikt erzeugte, und die und dem Vorschlag des Bundeslandes Bahias das Land im Rahmen des Landesgesetzes Bahias als staatliches, nicht in Privatbesitz befindliche Land zu deklarieren, nutzten die Familien dieser Landgemeinden diese Flächen wieder in traditioneller Art und Weise.

 Allerdings wurden die CPT und weitere Gruppen informiert, dass in der ersten Hälfte des Monats Juli dieses Jahres (2016), der gleiche Richter die verschiedenen klaren Beweise des Landraubes, die während der richterlichen Vermessung deutlich geworden waren, missachtet hat. Er bestritt das Gesuch des Bundeslandes Bahias der Anerkennung der traditionellen Nutzung der Gemeinschaftsweideflächen seitens der Familien und der öffentlichen Landflächen und beantragte, dass diese Flächen den beiden Unternehmern überschieben werden; dies beinhaltet die Vertreibung der Familien - auch mithilfe von Polizeigewalt.

Lesen Sie, welche Ungerechtigkeiten sich 2008 ereigneten:
        Die Rückkehr der Militärdiktatur in Riacho Grande, Minizip Casanova
        Die Rückkehr der Vertriebenen, geschützt durch die Polizei

Zum Protest: Unsere brasilianischen Freunde bitten uns um solidarischen Beistand in der Form, dass der Text aus der Datei protest_port.doc in eine E-Mail kopiert wird; die Mailadressen sind aus der Datei  protest_port.doc zu kopieren, als Betreff z.B. Protesto.
Wir gehen davon aus, dass die Vertreibung der Kleinbauern unterbleibt, wenn genügend internationaler Protest die Adressaten erreicht.

        areia_grande_deutsch.doc
        protest_port.doc

Der Mord in Casa Nova

Meldung vom : 11.03.2010

Bauer aus Areia Grande im Hinterland von Bahia ermordet

An Hand der Anzahl der Patronen
kann man erahnen, dass José hinge-
richtet worden ist
Der Kleinbauer, José Campos Braga, 56 Jahre, wurde am Mittwoch den 4. Februar 2009 im Weidegebiet von Areia Grande in der Gemeinde Casa Nova, im Hinterland von Bahia erschossen aufgefunden.

An Hand der Patronen kann man erahnen, dass José hingerichtet worden ist. Jose Campos, Vater von 10 Kindern, war eine Symbolfigur des Widerstandes im Kampf um die Landrechte der traditionellen Kleinbauern-Gemeinschaften. Er leistete Widerstand gegen die Versuche, die Gemeinschaft der Ziegenbauern zu vertreiben, um dort Anbau für Ölpflanzen zur Produktion von Biodiesel Platz zu machen. Investoren versuchen, sich durch illegalen Landhandel der Weideflächen anzueignen.

Der Konflikt um das Gebiet von Areia Grande, von dem 336 Familien, mehr als 1.800 Bewohner betroffen sind, war im März 2008 eskaliert. Häuser, Stallungen und Zäune der traditionellen Gemeinschaft waren von Pistoleiros der Landspekulanten zerstört worden. Auch das Haus von José Campos war damals zerstört worden. Seitdem lebte er in einem Zelt aus Plastikplanen.

Das ganze Jahr 2008 über kämpften die Bauern in verschiedenen rechtlichen Instanzen um ihre Landrechte. Erst im Dezember letzten Jahres konnten sie einen ersten Erfolg feiern, als die rechtlichen Verfahren, die von den Investoren gegen das Dorf angestrengt worden waren, vom örtlichen Richter für ungültig erklärt wurden.

Doch die Landmaffia gab sich damit nicht geschlagen. Während der letzten zwei Wochen berichten die Bewohner von Areia Grande, dass sich die Schergen mehrfach versuchten, in das Dorfgebiet einzudringen. Nach neuerlichen Bedrohungen erstatteten die besorgten Kleinbauern Anzeige bei lokalen Polizei. Sie erhielten jedoch keine Unterstützung.

Heute wird die Leiche der gerichtsmedizinischen Analyse unterzogen. Die Staatsanwaltschaft und der Mediator für Landkonflikte wurden bereits eingeschaltet.

Die Dorfbewohner fordern effiziente Ermittlungen, die Bestrafung der Verantwortlichen und die Wahrung der Sicherheit in ihren Dörfern sowie die Anerkennung ihrer Landrechte.

CPT Bahia, 05-02-2009

 

Und hier die Vorgeschichte

Seit einiger Zeit erlebt die Region des Flussbeckens des Sao Francisco Ereignisse, die an die Zeit der Militärdiktatur erinnern, nicht nur wegen der Großprojekte (wie z.B. Ableitung des Flusses und Staudämme, etc.), sondern wegen der Methoden die angewendet werden.

Am 6.3.2008 erschien eine Gruppe von ca. 100 Polizeibeamten der Militärpolizei, Zivilpolizei, Bundespolizei und einer Spezialgruppe, die ausgebildet ist für die Zerstörung des Haschischanbaus in der Caatinga, im Dorf Riacho Grande im Landkreis Casa Nova, Bahia, und zerstörten die Häuser der kleinbäuerlichen Familien, die Stallungen der Tiere, Zäune, usw.

Auf dieser Landfläche (annähernd 40 000 ha) war in den 80 er Jahren ein sehr großes Projekt des Großunternehmens Camaragibe geplant, bei dem Maniok zur Alkoholherstellung produziert werden sollte. Allerdings ging das Projekt damals pleite, auch weil der Widerstand der Landgemeinde sehr groß war. Die finanzierenden Bank (Banco do Brasil) scheint die Hypothek dieser Fläche an Dritte weitergegeben zu haben (zu einem Spottpreis). Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass seit über 20 Jahren vor allem junge kleinbäuerliche Familien auf dieser Fläche leben und ihre Lebensgrundlage aus den Gemeinschaftsweideflächen beziehen. Diese Familien halten auf den Flächen ca. 15 000 Tiere und 3.000 Bienenvölker, wobei sie Bankkredite (Banco do Brasil) von ca. 72 000 Reais aufgenommen hatten.

Die Polizeibeamten kamen um 5:00 Uhr morgens und nahmen den kleinbäuerlichen Familien alle Ausweispapiere und Schlüssel von allen Fahrzeugen ab, sie nahmen den Kleinbauer Herrn Raimundo Campos Braga fest und zerstörten alle Zäune, Häuser, die landwirtschaftliche Produktion.... Sie zerstörten!

Allen anderen Leuten die sich solidarisch zeigten und am Ort erschienen wurde der Zugang verhindert. Erst nach langen Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt wurde es um 11:00 Uhr morgens einer kleiner Gruppe (Vertreter von Kirche, CPT, Gewerkschaft, ...) erlaubt, die Fläche zu betreten um sich um die kleinbäuerlichen Familien zu kümmern, die mit ansehen mussten wie alles zerstört wurde.

Die Polizei konnte keinen offiziellen Räumungsbefehl vorweisen, der auf bestehenden Besitztiteln beruht. Sie verfügten lediglich über einen richterlichen Bescheid, der bestätigt, dass ein Verfahren der Übergabe der Landrechte von der Bank an neue Besitzer - Alberto Martins Matos (Direktor der SAAE in Juazeiro) und Carlos Nizam Lima Silva - eingeleitet ist. Selbst wenn dieses Übergabeverfahren rechtmäßig verlaufen ist, haben sie keine rechtliche Basis für die Vertreibung der Kleinbauern. Denn nach brasilianischem Landrecht haben die Familien, die dort seit über 20 Jahren leben und wirtschaften, mittlerweile durch Gewohnheitsrecht rechtlichen Anspruch auf diese Landfläche.

Die brutale Gewalt der Polizei, die in diesen Tagen in allen Regionen Brasiliens gegen kleinbäuerliche Familien angewendet wird, zeigt, dass Brasilien nicht vorangekommen ist im Umgang mit der traditionellen Bevölkerung. Beweist auch, dass die richterliche Macht auf der Seite des großen Kapitals steht und sich gegen die arme Bevölkerung stellt.

Die Gruppen, die diesen Aufruf unterzeichnen, protestieren gegen die Aktion der Polizeibeamten und rufen auf zur Solidarität und zu einem gemeinsamen Kampf, damit die kleinbäuerlichen Familien auf den Flächen weiterhin leben und ihren Lebensunterhalt gewährleisten können, mit ihrer Bienenzucht, Tierhaltung, etc. und in Frieden leben können.

Der Kampf der letzten 30 Jahre darf nicht aufhören.

Casa Nova, 07.03.2008
 

AUSRUF DER ENTRÜSTUNG. EIN ÜBERFALL AUF DIE GEMEINSCHAFTSWEIDE-FLÄCHE (FUNDO DE PASTO) DURCH EINE RICHTERLICHE AMTSPERSON

"Ich scheiße und verzichte auf die Internationale Konvention"
Dr. Eduardo Padilha, Richter in Casa Nova, Bahia  

Am Freitag, dem 5.3.2010 drangen einige Personen, die in zwei Kraftfahrzeugen ankamen, in die Fläche der Gemeinschaftsweide Areia Grande gewaltsam ein. Das Eingangstor wurde aufgebrochen und zum Teil zerstört, außerdem das Haus des im Januar 2009 ermordeten Kleinbauern José Campos Braga, genannt Zé de Antero. Dieser wurde aufgrund eines herrschenden Landkonfliktes zwischen den Familien der Gemeinde und den Großgrundbesitzern umgebracht.

Der Überfall löste bei den Familien der betroffenen Gemeinden von Salina da Brrinca, Jurema, Melancia und Riacho Grande Angst und Unsicherheit aus. Die Familien zeigten diesen Vorfall bei der Polizeidienststelle in Casa Nova an.

Die Vereinigung der Rechtsanwälte der ländlichen ArbeiterInnen (Associação de Advogados/as de Trabalhadores Rurais - AATR), die Landpastoral (CPT) in Juazeiro und die Gewerkschaft der Arbeiter in landwirtschaftlichen Großunternehmen (SINTAGRO) der Landkreise Juazeiro, Curacá, Casa Nova, Sobradinho, Sento Sé und Vertreter der BauernInnenvereinigungen des Fundo de Pasto suchten den Richter, Herrn Dr. Eduardo Padilha, im Amtsgericht in Casa Nova auf, um ihn über die Ereignisse zu informieren und um Vorkehrungen zu bitten, da diese Situation große Spannungen verursachte.

Überraschenderweise wurde den Anwesenden im Gespräch mit dem Magistrat bewusst, dass es sich um eine Aktion handelt, die von ihm selbst beauftragt und begleitet wurde, zusammen mit dem Staatsanwalt des Amtsgerichtes Dr. Sebastiäo Coelho, von Beamten der Militärpolizei, dem Gerichtsdiener, Herrn Alberto Rocha, bekannt unter dem Namen Feijao und von Gileno de Andrade Almeida, der vom Richter als persönliche Sicherheitsperson bezeichnet wurde. Es ist jedoch anzumerken, dass Gileno sich selbst als Vertreter und Teilhaber der Großgrundbesitzer bezeichnet.

Als Motiv des gewaltsamen Eindringens gab der Richter eine erneute richterliche Inspektion der Fläche an. Hierbei ist zu bemerken, dass eine richterliche Inspektion der Fläche durch den Richter bereits am 19.02.2010 durchgeführt worden war, im Beisein eines Vertreters der Coordenação de Desenvolvimento Agrário (CDA = Zentrale Kommission der Agrarentwicklung des Bundesstaates Bahias) von AATR, CPT, SINTAGRO, sowie der VertreterInnen der BauernInnenvereinigungen des Fundo de Pasto.

Aber es war noch nicht genug damit, gewaltsam auf die Fläche eingedrungen zu sein und den einen vorbereitenden Prozessakt durchgeführt zu haben, ohne darüber den Bundesstaat Bahia zu informieren, denn dieser ist Urheber Beauftragende der Vermessung der Landflächen zur Feststellung der Besitzverhältnisse, schloss der Richter die Vertreter der CPT, SINTAGRO und BauernInnenvereinigungen aus und debattierte mit den beiden Rechtsanwältinnen der AATR weiter, wobei er seinen Standpunkt über die Nutzung der traditionellen Fläche deutlich machte. Laut seiner Stellungnahme war die erste Inspektion eine "Täuschung, ein Betrug, ein Schminken" und "ein gestellter Zirkus". Er behauptete, dass auf der Fläche keine Menschen leben und dass er weniger als 50 Ziegen auf der Fläche gesehen hat, und somit es nicht gerechtfertigt ist, dass die Familien diese Fläche erhalten. Der Richter bezweifelte auch die Arbeit der staatlichen CDA, die Landraub von öffentlichem Land bestätigt und dass de facto die Fläche von den Familien bewohnt wird. Er beschuldigte die CDA im Abkommen mit den BauernInnenvereinigungen diese "Täuschung" begangen zuhaben.

Im Gegensatz dazu argumentierten die Rechtsanwältinnen der AATR, dass die Bevölkerung der Fläche unter dem Systems des Fundo de Pasto keine ständige Anwesenheit der Familien voraussetzt und dass die Tiere frei gehalten werden. Außerdem machten sie darauf aufmerksam, dass eine Internationale Konvention, ratifiziert vom Parlament, den Schutz dieser traditionellen Form der Nutzung und Bevölkerung sicherstellt. In diesem Moment verachtet der Magistrat dieses legale Instrument und sagte: "Ich scheiße und verzichte auf die Internationale Konvention".

Angesichts der Argumentationen seitens der Vertreterinnen der AATR, gab der Richter zu, dass er das System des Fundo de Pasto nicht kennt, weil er auch nie am Land gewohnt hat, aber trotzdem hält er seine Stellung und Interpretation über die Angelegenheit aufrecht.

 

Wir missbilligen den Vorfall dieser richterlichen Inspektion, die den rechtsgültigen Prozess nicht respektiert und im Widerspruch einer umfassenden Verteidigung steht, die Verachtung des Magistrat in Beziehung der Prozessregeln, die soziale Rechte in Bezug auf die jahrzehntelange Bevölkerung und Nutzung der Gemeinden des Fundo de Pasto voll unterstützt.

Wir bitten um Unterstützung bei der Verbreitung dieser Stellungnahme und für den Kampf der traditionellen Landgemeinden, damit diese weiterhin auf ihrem Land verbleiben können.

 

Casa Nova, 11.03.2010

 

União das Associações de Fundo de Pasto de Casa Nova (UNASF)
Associação de Advogados de Trabalhadores Rurais no Estado da Bahia (AATR
Comissão Pastoral da Terra / Diocese de Juazeiro (CPT)
SINTAGRO-BA
Articulação do Semi-árido/Casa Nova (ASA)
Instituto Regional da Pequena Agropecuária Apropriada (IRPAA)
Paróquia São José Operário - Casa Nova